Donnerstag, 11. Juni 2015

[Privat] Gedankenwirrwar #1

Huhu,

heute folgt einfach mal nur Text, meine Gedanken, meine Gefühle die ich euch im Gedankenwirrwar offenbare.

Hoffen, Bangen und der Alltag.

Die Mamas unter euch kennen das Gefühl. Das Gefühl, dass ihr hofft, dass euer Baby gesund zur Welt kommt, gesund durchs Leben kommt und ihm nichts böses widerfährt.
Diese Hoffnung hatte auch ich.

Als man mir am 28.01.2015 um 12:30 meinen kleinen, noch blutverschmierten, Sohn auf die Brust gelegt hat, war natürlich die Freude riesig. Es waren alle Gliedmaßen dran, alles in Ordnung.
Die U1 prima überstanden und auch bei der U2 war alles in Ordnung.

Ich hatte also ein kleines perfektes Wunder zu Hause. So lieb, so unschuldig, so einzigartig. Und das Beste: Gesund und glücklich.

Bis zur U3.

Der 5. März 2015 ist ein Tag der mir immer im Gedächtnis bleiben wird.
Wir, mein Freund, unser Sohn und ich, sind ganz normal zur dritten Untersuchung zu unserem Kinderarzt gefahren. Routine. Alles gut. Was sollte schon sein? Er war gewachsen, hat zugenommen, keine Erkältung gehabt, trank immer brav seine Milch und selbst Nachts lies er uns schlafen.

Im Behandlungszimmer.. Der Arzt hörte ab. Routine. Machte weitere Untersuchungen. Hörte wieder ab. Gut, mein kleiner Zappel-Philipp macht es einem auch echt nicht leicht. Der Arzt sagte etwas zur Schwester, sie ging, kam kurz darauf wieder. Der Arzt führte seine Untersuchung zu Ende durch. Hörte ein letztes Mal ab. Ging raus, kam wieder.
Ich durfte meinen Sohn wieder anziehen. Die Stimmung war anders, komisch, bedrückend.
 Dann der Satz: "Ich muss Ihnen jetzt noch etwas sagen."
Von einem Arzt nie gut. Ich stand schon da wie angewurzelt. Er faselte. Ich wie im Trance, kaum was mitbekommen. "bla bla bla... sein Herz... bla bla bla." Ich stand da und hab geheult. Richtig geheult. Mein Freund nahm mich sofort in die Arme. Ich bin immer noch unendlich froh, dass er dabei war. Alleine hätte ich das nie überstanden. Selbst wenn ich jetzt noch darüber schreibe, kommen mir die Tränen.
Das konnte nicht sein. Nicht mein Sohn. Er ist gesund, das kann nicht stimmen. Nicht er. Nein.
Das waren die Gedanken die in meinem Kopf rumschwirrten. Auch wenn ich zu dem Zeit gar nicht wusste was er hat. Aber etwas am Herzen ist einfach keine Routine, kein Kinderspiel.
Während der Arzt weiter redete ("Alles halb so wild, das haben Säuglinge manchmal..."), mein Freund mir über den Rücken strich und ich unseren Sohn wieder anzog beruhigte ich mich etwas.
"Ich muss Ihnen jetzt noch etwas sagen - und jetzt kriegen Sie bitte keinen Schreck - der Krankenwagen ist schon auf dem Weg hierhin."
BITTE? WAR HIER NICHT GERADE DIE REDE VON ALLES HALB SO WILD? WAS SOLL DER SCHEISS?? WO IST DIE KAMERA VERSTECKT???
Das habe ich natürlich nicht gesagt, nur gedacht. Das Krankenhaus ist keine 100m Luftlinie vom Kinderarzt entfernt.
Im nächsten Moment kamen schon die Sanitäter ins Zimmer. Mein Sohn und ich (total aufgelöst, hilflos, verloren) wurden dann mit dem Krankenwagen zum Krankenhaus transportiert. Mein Freund mit dem Auto hinterher. Tatütata Tatütata. Feierabendverkehr. Super. Es konnte nicht schlimmer kommen.

Ab zum Chefarzt der Kinderstation. Kinder-Kardiologe. Gott sei Dank!
Die schlimmsten Bilder folgten dann. Der kleine Prinz, halb nackt auf einer großen Liege, komplett verkabelt und am Schreien wie am Spieß. Ich stand hilflos daneben und versuchte mich zusammen zu reißen. Endlich kam mein Freund.
Wir wurden ins Wartezimmer geführt. Mein kleiner Schatz immer noch am Schreien. Diese Hilflosigkeit, Ungewissheit war das Schlimmste.

Gefühlte 5 Stunden später (es waren ca 10 Minuten) war es still nebenan. Auf einmal. Ganz plötzlich. Und immer noch keiner da, der uns irgendwie was sagt.
Dann kam der Arzt.
Er erzählte uns, dass das Herz von unserem Sohn viel zu schnell schlägt. Und nicht im Takt. Eine Herzrhytmusstörung also. Er hat ein Notfallmedikament bekommen und ein Beruhigungsmittel. Er schläft und wird jetzt auf die Neonatologie gebracht. Die Intensivstation für Säuglinge und Kinder.
Dort wurden wir später auch hingeführt. Durften so lange bleiben wie wir wollen. Eine Nacht sollte er zur Beobachtung da bleiben. Danach noch einen weiteren Tag auf der normalen Kinderstation.

Als wir spät in dieser Nacht nach Hause kamen, fiel erstmal alles von uns ab. Es war komisch. Zu Hause. Ohne ihn. Es war kein zu Hause mehr. Es fehlte. Und mir wurde klar, dass ich absolut nie mehr ohne ihn sein kann. Es war mit die schlimmste Nacht unseres Lebens.

Am frühen Morgen waren wir dann wieder da. Haben bei ihm gesessen, ihn - komplett verkabelt - auf dem Arm gehabt. Es tat weh, meinen Mäusekönig so zu sehen. Aber ihm ging es gut. Er konnte früh runter auf die normale Station. Am Nachmittag kamen die Paten zu Besuch. Alles okay.
Da ich Krankenhäuse hasste und da absolut nicht schlafen kann, sind wir auch abends wieder heim. Er war ja in guten Händen. Ein schlechtes Gewissen hatte ich dennoch.

Mitten in der Nacht, klingelte das Handy. Das Krankenhaus. Sein Herz war wieder getickert. Er liegt wieder auf der Intensiv. NEIN NEIn NEin Nein nein...
Da wir nichts tun konnten, um 3 Uhr nachts, er mit Beruhigungsmitteln und Notfallmedikament ruhig gestellt wurde, blieben wir im Bett. Schlafen war aber mehr oder weniger unmöglich.

Am nächsten Morgen sind wir dann direkt zur Intensiv. Ein weiterer Ticker. 320 Puls. Viel zu hoch. Kinder in dem Alter haben im Durchschnitt 150 im Ruhezustand. Er über das doppelte.
Es wurde klar: Er wird jetzt medikamentös behandelt. Wie lange? Das kann uns bis heute keiner sagen. 1 Jahr? Länger? Man weiß es nicht. Das wird die Zeit mit sich bringen.

Nachdem er auf ein Medikament eingestellt wurde, gab es keinen Ticker mehr und nach 3 weiteren Tagen auf der Intensivstation, kam er für zwei weitere Tage auf die normale Station. Ich habe eine Nacht mit ihm dort verbracht. Die zweite, die Nacht bevor er nach Hause durfte, nicht - ich musste schlafen damit ich voll und ganz für meinen Sohn da sein konnte. In der Nacht im Krankenhaus habe ich gar nicht geschlafen.

Nun nimmt er seit gut 3 Monaten sein Medikament. 4x täglich. Alle 6 Stunden. Und hängt am Monitor. Inzwischen nur noch wenn er schläft.
Er schlägt sich tapfer, nimmt brav seine Medizin und bekommt davon ja eh noch nicht so viel mit.
Wir hoffen, dass er Ticker-frei bleibt. Im März nächsten Jahres wird ein Auslassversuch gestartet. Stationär im Krankenhaus. Da ist er 1 Jahr. Da muss ich dann bleiben. Da kann und will ich ihn nicht alleine lassen.
Wir hoffen sehr, dass er dann auch nicht mehr tickert, hoffen, dass wir den Monitor zur Überwachung noch ein, zwei Monate haben dürfen. Zur Sicherheit..


Wenn ihr es bis hier geschafft habt: Danke! Danke für's "zuhören". Danke, dass ich mich mal "ausheulen" durfte. Es tat gut, mal alles nieder zu schreiben.

Wenn ihr Fragen habt, dürft ihr sie natürlich gerne stellen. Ich werde sie alle beantworten.

Danke nochmal. xx

4 Kommentare:

  1. Ja es tut gut, sich mal alles von der Seele zu schreiben. Ich drücke dem kleinen Mäusekönig mal ganz feste die Daumen, dass sich das alles wieder gibt, wenn es bei den Medis bleibt, alles halb so wild. Fühlt euch mal gedrückt. HDGDL Deine Mama

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  2. Hallo Lieblingsnichte,
    ja, da hat deine Mama recht!! Es tut so gut, mal alles rauszulassen und es einfach aufzuschreiben.
    Ich habe damals - vor über 27 Jahren - Tagebuch geschrieben. Wir lebten da ja noch in einer PC-losen Zeit ;o)

    Auch bei uns kam der Anruf, dass sich Florians Zustand leider drastisch verschlechtert hat und er dringend operiert werden muss, mitten in der Nacht zum 4. Advent! Das vergisst du dein Leben lang nicht - siehste ja :-)

    Aber auch wir drücken natürlich ganz feste die Daumen, dass er im nächsten Jahr ohne die Medis auskommt und ihr dieses Kapitel dann für immer schließen könnt!!

    Fühlt euch gedrückt!
    Eure Gladbecker ^^

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  3. Ich habe zwar selbst (noch) kein Kind und kann mir daher vermutlich nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie man sich in einer solchen Situation als Elternteil fühlt, aber jedes Mal, wenn ich von so etwas höre oder lese, läuft mir die Gänsehaut über den ganzen Körper. Ich schicke dir gedanklich ganz viel Kraft und dem kleinen Prinzen natürlich auch eine Extraportion.
    Alles alles Liebe!!
    Sophie

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  4. Mir geht es auch immer besser, nachdem ich mir alles von der Seele geschrieben habe. Auf jeden Fall drücke ich euch allen 3en die Daumen, dass ihr ab jetzt ruhe habt und in einem Jahr die Medikamente weg können und er den ticker frei ist.
    Ich selbst hab keine Kinder, aber ich bin Nanny für ein 8 Monate altes Mädchen und ich bekomme schon einen halben Herzinfarkt, wenn sie sich wo anhaut oder hinfällt beim Laufen lernen. Ich wüsste nicht was ich machen würde, wenn auf einmal so eine Botschaft kommen würde.

    Liebe Grüße,
    Daniela

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